Regisseur Florian Zeller, der bereits seit Jahren ein erfolgreicher und höchst geachteter Dramatiker im Theater ist, feierte 2021 mit „The Father“ sein Kinodebüt und eroberte dort die Zuschauerherzen im Sturm. Sein bewegendes Stück über einen Rentner, dessen Wahrnehmung sich aufgrund seiner Demenz stark von der Realität unterscheidet, bekam weltweit Höchstbewertungen, brachte Hauptdarsteller Anthony Hopkins einen Oscar ein und sorgte weltweit für ein deutlich besseres Verständnis für die degenerative Erkrankung.
Inhalt von „The Son“ Filmkritik: Ein bewegendes Drama über schwere Depression
von Heiner Gumprecht | 02.12.2022
Regisseur Florian Zeller, der bereits seit Jahren ein erfolgreicher und höchst geachteter Dramatiker im Theater ist, feierte 2021 mit „The Father“ sein Kinodebüt und eroberte dort die Zuschauerherzen im Sturm. Sein bewegendes Stück über einen Rentner, dessen Wahrnehmung sich aufgrund seiner Demenz stark von der Realität unterscheidet, bekam weltweit Höchstbewertungen, brachte Hauptdarsteller Anthony Hopkins einen Oscar ein und sorgte weltweit für ein deutlich besseres Verständnis für die degenerative Erkrankung.
Bild: „The Son“ (2022). © Leonine Holding GmbH
Was das Drama jedoch nicht ist, ist leicht zugänglich. Für durchschnittliche Kinogänger entpuppte sich „The Father“ als schwere Kost, die höchste Aufmerksamkeit fordert, kaum etwas erklärt und viele Denkprozesse dem Publikum überlässt. Und selbst jene, die mit Adleraugen und Gehirnarbeit auf Höchsttouren dabei sind, ist eine zweite Sichtung des Films fast unabdingbar. Was vielleicht auch die Gründe dafür sind, dass Zeller in seinem zweiten Film, „The Son“, stärker darauf geachtet hat, dass weniger Passagen für große Fragezeichen sorgen.
The Son: Eine Kritik
Insgesamt unterscheidet sich „The Son“ in zwei Fällen deutlich von Zellers Kinodebüt. Zum einen verzichtet der Dramaexperte dieses Mal darauf, die Krankheit, in diesem Fall akute Depression, aus der Sicht des direkt Betroffenen darzustellen. Stattdessen konzentriert sich der Film darauf, uns besser verstehen zu lassen, wie die engsten Angehörigen eines solchen Erkrankten damit umgehen, welche Verständnisprobleme es gibt und welche Fehler selbst jene machen, die nur das Beste wollen. Denn Depression ist eben nicht einfach nur eine Form von Traurigkeit.
Bild: „The Son“ (2022). © Leonine Holding GmbH
Zum anderen hält sich Zeller dieses Mal nicht damit zurück, Hintergründe genauer zu beleuchten und dem Publikum leichter verständlich zu machen. Statt Eckpunkte seiner Kernaussage nur subtil anzudeuten und dann die Zuschauer selbst die richtigen Schlüsse ziehen zu lassen, kristallisiert er die wichtigen Details deutlicher heraus, manchmal sogar wie mit der sprichwörtlichen Faust aufs Auge. Diese Vorgehensweise mag für Filmexperten etwas zu vulgär sein, sicherlich, macht es dem durchschnittlichen Zuschauer aber deutlich einfacher, das Gezeigte zu verstehen.
Abgesehen davon atmet „The Son“ aber die gleiche Luft wie „The Father“. Das Drama wird sehr langsam erzählt und setzt auf eine gehörige Portion Bildsprache, während keine Situation auch nur annähernd an Hollywood erinnern lässt, stattdessen scheint man gewöhnliche Menschen mit gewöhnlichen Problemen zu sehen, mit denen man sich lediglich deswegen nicht leicht identifizieren kann, weil eine Kernfigur zur gesellschaftlichen Oberschicht gehört. Seine Sicht auf die Krankheit und seine Probleme sind aber nichtsdestoweniger nachvollziehbar.
Bild: „The Son“ (2022). © Leonine Holding GmbH
The Son: Ein schweres Kunstwerk
Die einzelnen Szenen fügen sich mühelos und logisch zusammen, was aus starken Einzelmomenten letzten Endes einen starken Film zaubert, der konsequent auf ein Ende hinarbeitet, aus dem der Regisseur zu keinem Zeitpunkt ein Geheimnis macht. Wenn man ihm überhaupt etwas vorwerfen könnte, dann, dass er stärker als in vergleichbaren Werken versucht, das Publikum zu berühren, dabei aber hin und wieder die Notwendigkeit vergisst, Zuschauer selbst denken zu lassen. Dies kommt aber nur sehr selten vor und schmälert das Erlebnis kaum merklich.
Einzelne Momente in „The Son“ sind zudem so clever, bedeutungsschwanger und punktgenau in dem Versuch, die richtigen Aussagen zu übermitteln, dass man dem Drama etwas schwächere Passagen gerne verzeiht. Und selbst wenn ihr euch auf solche Szenen konzentrieren wollt, die nicht an das Gesamtniveau heranreichen, dürfte jede Form von negativer Kritik eigentlich schon am Schauspiel des kompletten Casts scheitern, der selbst eine deutlich schwächere Geschichte mühelos Huckepack tragen könnte.
Hauptdarsteller Zen McGrath wirkt in seinem Schauspiel beispielsweise nur deswegen etwas blass, weil er von seinen Schauspielkollegen und -kolleginnen an die Wand gespielt wird. Und das, obwohl er einen hervorragenden Job abgeliefert hat. Doch Hugh Jackman, der hier den Vater des Erkrankten verkörpert, liefert gefühlt leichtfüßig und äußerst überraschend die vielleicht beste Performance seiner Karriere ab. Seine vierschichtige und perfekt getroffene Darstellung ist Dreh- und Angelpunkt für jeden Versuch seitens des Publikums, mit den Figuren mitzuleiden.
Bild: „The Son“ (2022). © Leonine Holding GmbH
The Son: Schwer zu greifen
Die äußerst vielschichtige und ebenso schwer zu greifende psychische Störung Depression wird in „The Son“ leider etwas klischeehaft dargestellt, ebenso die Probleme, die sie mit sich bringt und die Lasten, die Angehörige und andere Betroffene zu tragen haben. Doch am Ende des Tages muss man irgendwo ansetzen, um eine von der Gesellschaft noch immer missverstandene und zu oft belächelte Krankheit der breiten Masse besser zugänglich zu machen. Und da kaum eine Sekunde in den zwei Stunden Laufzeit verschwendet ist, wäre für mehr wohl auch kaum noch Platz.
Und wie schon erwähnt geht es in dem Film in erster Linie auch gar nicht darum, Depression so darzustellen, dass Nichterkrankte sie wirklich verstehen können. Dieser Versuch würde viel mehr Zeit und eine durchgehende Belehrungsbereitschaft vom Publikum voraussetzen. Stattdessen zeigt das Drama auf, was Angehörige nicht tun dürfen, was und wie sie nicht denken sollten und wie sie nicht nur den Depressiven sondern auch sich selbst schützen können. Und in dieser Hinsicht macht Zellers Film alles richtig.
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Fazit
Nicht so subtil und erzählerisch clever wie „The Father“, aber immer noch ein verdammt guter Film, der gerade aufgrund seiner Direktheit besser für ein breiteres Publikum geeignet ist. „The Son“ ist ein wichtiger Film, mit vielen starken Einzelmomenten und einem konsequenten Ende, das seine Wirkung nicht verfehlen wird. Ein Drama, dass eigentlich jeder einmal gesehen haben sollte, doch solltet ihr die dafür notwendige Einstellung mit in den Kinosaal nehmen, denn Zellers Film holt euch nur bedingt ab und erwartet immer noch einen großen Batzen Empathie.
The Son startet im Februar 2023 in den Kinos.
Bewertung: 4/5****
Bild: „The Son“ (2022). © Leonine Holding GmbH