Hier sind wir also wieder. Die Geschichte der X-Men hat sich im Kreis gedreht und beißt sich wie der Uroboros in den eigenen Schwanz. Jean Greys Transformation zur mächtigsten Mutantin aller Zeiten findet dreizehn Jahre nach “Der Letzte Widerstand” erneut statt, dieses Mal mit dem Vorsatz, mehr Fokus auf Charakterentwicklung zu legen und eine der beliebtesten Comicvorlagen nicht abermals zur Nebengeschichte werden zu lassen. Ansatzweise kann man in diesen Belangen von einem Erfolg sprechen.
Inhalt von X-Men: Dark Phoenix Filmkritik – Sich im Kreis drehen
Hier sind wir also wieder. Die Geschichte der X-Men hat sich im Kreis gedreht und beißt sich wie der Uroboros in den eigenen Schwanz. Jean Greys Transformation zur mächtigsten Mutantin aller Zeiten findet dreizehn Jahre nach “Der Letzte Widerstand” erneut statt, dieses Mal mit dem Vorsatz, mehr Fokus auf Charakterentwicklung zu legen und eine der beliebtesten Comicvorlagen nicht abermals zur Nebengeschichte werden zu lassen. Ansatzweise kann man in diesen Belangen von einem Erfolg sprechen.
Schließlich nimmt Hauptfigur Jean nicht nur die größten Parts der Geschichte ein, alle Nebenhandlungen drehen sich um ihre Transformation wie die Planeten um die Sonne. Mit “Dark Phoenix” beweist Regisseur Simon Kinberg, welcher zuvor durch seine Drehbücher bekannt geworden ist und mit diesem Film sein Regiedebüt feiert, jedoch, dass der richtige Ansatz nur eine von mehreren Säulen ist, die ein solches Werk tragen. Eine weitere ist das Skript, das hier ironischerweise das Problemkind darstellt.
Handlung ohne Mühe
Es gibt allerlei große Probleme mit der geschriebenen Handlungsvorlage, die das Ergebnis stark in Mitleidenschaft ziehen. Zum einen nimmt sich der Film deutlich zu wenig Zeit damit, die Wandlung der Protagonistin nachvollziehbar und logisch darzustellen. Hauptdarstellerin Sophia Turner (“Game of Thrones”, “X-Men: Apocalypse”) darf zwar fleißig weinen und dem Verlorenen sichtbar hinterher schmachten, doch stellen solch oberflächliche Szenen bereits die größte Tiefe im Plot dar.
Ihre innere Zerrissenheit wird genauso stiefmütterlich behandelt wie der Konflikt unter den restlichen X-Men, die alle eine ganz eigene Vorstellung davon haben, wie man mit der sich anbahnenden Bedrohung umzugehen hat. Eigentlich spannende Themen, deren Ausarbeitung dem Film definitiv gut getan hätte, werden lediglich angeschnitten, und dann als Dauerausrede benutzt, um verschiedene Schlüsselmomente zu rechtfertigen. Dabei werden weder die Gehirnzellen des geneigten Kinozuschauers noch die Fähigkeiten der anwesenden Schauspieler auf die Probe gestellt.
Hinzu kommt ein völlig aufgezwungen wirkender Nebenstrang der Geschichte, welcher zwar auch seine Wurzeln in den originalen Comics hat, hier jedoch komplett verdreht wiedergegeben wird und zudem keinen Mehrwert zur Qualität der Handlung beisteuern kann. Stattdessen klaut die Mär um Aliens, die die Kraft der Phoenix Force nutzen wollen, um eine neue Heimat zu finden, der eigentlichen Erzählung wichtige Screentime und dient meist lediglich dazu, weitere Kampfsequenzen in das Werk einzubauen.
Bei einem solchen Actionbrett ist es erwartungsgemäß keine Überraschung, dass die Handlung ins Hintertreffen gerät und visueller Bombast das Rampenlicht für sich beansprucht. Doch sollte zumindest ein Mindestmaß an Anstrengung erkennbar sein, welche die meisten Logiklöcher kittet und die Entwicklung der Jean Grey nachvollziehbar macht. Dies ist hier leider nicht der Fall.
08/15-Action
Die teilweise unterirdischen Dialoge, die im Film stattfinden, und die gehetzte Art, mit welcher das Werk von einer Szene zur nächsten springt, tun ihr übriges. So verbleibt “Dark Phoenix” in Sachen Handlung als einer der schwächsten Ableger der X-Men-Reihe, lediglich interessant dank der rasanten Actionszenen, die jedoch schwerlich mit dem bisher gewohnten Niveau der Vorgänger mithalten können.
Nur eine, und zwar die größte und gleichfalls beste Actionsequenz in “Dark Phoenix” darf als voller Erfolg gewertet werden, andere sind fast durchgehend schwächere Kopien von bereits bekannten Ideen.
Was die Qualität der visuellen Effekte angeht, kann ich natürlich wenig Negatives sagen. Wenn Jean Grey ihre Macht demonstriert und/oder verschiedene Mutanten und Außerirdische aneinandergeraten, sieht das schon beeindruckend aus. Nur wirklich mitreißend will es dann eben doch nicht sein. Erschwerend kommt hinzu, dass Szenerien während Auseinandersetzungen zu schnell wechseln und es schwerfällt, mitzubekommen, was genau gerade mit welcher involvierten Figur passiert ist.
Staraufgebot – ja, aber nein
Das Aufgebot an namhaften Schauspielern in “X-Men: Dark Phoenix” ist schon äußerst beeindruckend, im Film selbst bekommt man von den Talenten der Anwesenden jedoch wenig mit. Die meisten Rollen beschränken sich auf eine gezielte Idee und kommen über die Erfüllung ihres Schicksals nicht hinaus. Sie sollen einem bestimmten Zweck dienen und das war es dann auch.
So verkommt Jennifer Lawrence (“Die Tribute von Panem”, “Silver Linings”) als Raven/Mystique zur erzwungenen Powerfrau, Michael Fassbender (“12 Years A Slave”, “Inglourious Basterds”) in der Rolle von Magneto hat sich in den letzten Teilen keinen einzelnen Zentimeter weiterentwickelt und Professor Xavier, gespielt von James McAvoy (“Split”, “Band of Brothers”) darf als Prügelknabe herhalten, denn irgendwer muss ja schließlich Schuld haben.
Anderen Darstellern ergeht es kaum besser, doch beschränken sich deren Auftritte auf noch weniger Screentime und schon ihre Anwesenheit alleine kann in manch einer Szene komplett in Frage gestellt werden. Die einzige Ausnahme bildet hier Nicholas Hoult (“Mad Max: Fury Road”, “Warm Bodies”) als Beast. Dessen Figur wurde in diesem Werk zwar gleichsam simpel ausgearbeitet, doch hatte ich hin und wieder das Gefühl, dass er sich deutlich Mühe gibt, ein bisschen mehr aus seinem Charakter herauszuholen, als das Drehbuch eigentlich zulässt.
Bei Hauptdarstellerin Sophie Turner ist es hingegen ein Spiel aus schlechter Ausarbeitung im Skript und fehlenden Fähigkeiten vor der Kamera. Turner ist zwar eine talentierte Schauspielerin und hat in “Game of Thrones” durchaus ihren Wert unter Beweis gestellt, doch schafft sie es in “Dark Phoenix” nicht, zu begeistern. Ihre Darbietung eröffnet zu keiner Zeit den Raum für Sympathie/Mitgefühl.
Der ganze Rest
Abseits der bereits angesprochenen Punkte macht “X-Men: Dark Phoenix” wenig falsch. Musikalisch stets angemessen untermalt, mit sauberen Schnitten und teilweise wirklich gut gelungenen Bildern sowie Momentaufnahmen. Hinzu kommt eine fantastische Szene mit Michael Fassbender, in welcher dem irisch-deutschen Schauspieler die gesamte Leinwand zur Verfügung steht und er diesen Umstand recht beeindruckend zu nutzen weiß.
So ist der Film aus technischer Sicht von Anfang bis zum Ende hochwertig produziert worden und macht das Kinoerlebnis zumindest im Einflussbereich solcher Faktoren zu keiner verschwendeten Zeit. Lediglich zum Finale, wenn klar wird, dass sich die Macher für die möglicherweise faulste aller Lösungen entschieden haben, stellt man sich zwangsläufig die Frage, ob es das wirklich wert war.
Fazit
Als finales Abenteuer ist “Dark Phoenix” ungefähr so packend und mitreißend wie “Der Letzte Widerstand” zu seiner Zeit. Regisseur Simon Kinberg verschwendet das beeindruckende Staraufgebot mit einer flachen Geschichte, unausgereifter, beinahe fehlender Charakterentwicklung und vielen Logiklöchern. Das wäre alles in allem nicht halb so schlimm, wenn die Action wenigstens packen würde. Doch leider sind die rasanten Einlagen ungefähr so mitreißend wie die deutlich zu dick aufgetragenen, teilweise zum Fremdschämen einladenden Konversationen.
Bewertung: 2/5**
Filmkritik von Heiner “Gumpi” Gumprecht, 06.06.2019