Wenn Filme von sich behaupten, auf realen Ereignissen zu beruhen, sollte diese Aussage von dem potenziellen Kinogänger durchaus mit Vorsicht genossen werden. Die meisten Produktionen neigen dazu, die Wahrheit soweit zu dehnen und zu strecken, dass das Ergebnis und die Realität ungefähr so viel Ähnlichkeit miteinander haben, wie mein Gesicht mit dem von Johnny Depp. Um so schöner, wenn ein Werk wie Destin Daniel Crettons „Just Mercy“ sich tatsächlich mal Mühe gibt, die Ereignisse der Vergangenheit so weit wie möglich realitätsgetreu wiederzugeben.
Inhalt von „Just Mercy“ Filmkritik — Großartige Leistung
Wenn Filme von sich behaupten, auf realen Ereignissen zu beruhen, sollte diese Aussage von dem potenziellen Kinogänger durchaus mit Vorsicht genossen werden. Die meisten Produktionen neigen dazu, die Wahrheit soweit zu dehnen und zu strecken, dass das Ergebnis und die Realität ungefähr so viel Ähnlichkeit miteinander haben, wie mein Gesicht mit dem von Johnny Depp. Um so schöner, wenn ein Werk wie Destin Daniel Crettons „Just Mercy“ sich tatsächlich mal Mühe gibt, die Ereignisse der Vergangenheit so weit wie möglich realitätsgetreu wiederzugeben.
Der Fall Johnny D.
In diesem Fall geht es um einen der berühmtesten Fälle des US-amerikanischen Juristen und Bürgerrechtlers Bryan Stevenson (Michael B. Jordan), der in den 1980er Jahren in Alabama eine Organisation gegründet hat, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, zu Unrecht Verurteilte zu unterstützen und gerichtlich zu verteidigen. Und obwohl Stevenson in seiner aktiven Zeit als Jurist ein paar sehr interessante Fälle bearbeitet hat, ist es doch einer seiner Ersten gewesen, der für die meiste Aufmerksamkeit gesorgt hat.
Und zwar handelt es sich um die scheinbare Straftat von Walter McMillian (Jamie Foxx), genannt Johnny D. Der afroamerikanische Bürger von Monroeville, Alabama soll eine weiße Frau getötet haben und wartet dafür in einer Gefängniszelle auf den Tag seiner Hinrichtung. Wie Stevenson jedoch sehr schnell herausfindet, ist die Beweislage gegen Johnny D. bestenfalls zweifelhaft, eigentlich aber kompletter Unsinn. Er ist das Opfer von Rassismus, Hass, Dummheit, vertuschten Fehlern und einer ganzen Reihe an Straftaten, begangen von Mitgliedern des Systems.
Doch wer den Sheriff, den Staatsanwalt, die halbe Stadt und große Teile der Polizei gegen sich hat, muss sich wohl oder übel auf einen Kampf einstellen, wenn Unrecht bekämpft und Recht geltend gemacht werden soll. Was ihr in den über 130 Minuten dieses biografischen Dramas zu erwarten habt, ist genau das. Die ungeschönte, unerfreuliche und nackte Wahrheit über einige der schlimmsten Rechtsfehler der Vergangenheit, viel Menschlichkeit, viel Tiefgang, eine Menge Gefühl und hervorragende Schauspieler, die sich sichtbar Mühe gegeben haben, um euch all dies zu vermitteln.
Wer sich für das Werk interessiert, sollte dem Genre und der Handlung an sich also nicht abgeneigt gegenüber sein und braucht gutes Sitzfleisch, eine gehörige Portion Geduld und Empathie. Letztere macht „Just Mercy“ deutlich interessanter und die dort vertretenden Aussagen um ein Vielfaches stärker, nagt aber gleichzeitig am Nervenkostüm jedes Kinogängers, der das Herz am rechten Fleck hat. Was ihr hier zu sehen bekommt ist nicht schön, aber das soll es auch gar nicht sein.
Psychologischer Tiefgang
Crettons „Just Mercy“ nimmt sich eine Menge Zeit, um Charaktere und die Geschichte aufzubauen. Bedeutungsschwangere Bildeinstellungen und Kamerafahrten untermalen die überaus grandiose Mimik und Gestik der Hauptfiguren, was dazu führt, dass jeder Interessierte direkt abgeholt wird und sich mit etwas eigener Mühe leicht in das Geschehen einfühlen kann. Zwar nicht durchgehend zielsicher, aber weitgehend mit dem richtigen Gespür, jeder Figur die angemessene Menge an Screentime zu geben, den Fokus jedoch natürlich immer auf die Hauptfigur gerichtet.
Die Charaktere in dem Film sind aus psychologischer Sicht weder schwarz noch weiß, sondern durchgehend einfach nur menschlich grau. Bei manchen ist es einfach dies zu erkennen, bei anderen nur mit einer gehörigen Portion Abscheu. Dadurch, dass die gezeigten Figuren jedoch alle einen deutlich erkennbaren moralischen Kompass haben, ist es nicht immer einfach, zu erkennen, dass keiner von ihnen in Extremen denkt und handelt, sondern nur entsprechend der eigenen Realitätstunnel, die in diesem Werk oftmals Gegenverkehr erleben.
Das Handeln und Denken der dargestellten Personen wird gut eingefangen, beziehungsweise wiedergegeben und bei manch einer Figur kann erfreulicherweise eine nachvollziehbare Entwicklung wahrgenommen werden. Jedoch nicht bei allen. Manch ein Charakter war leider bereits im Vorfeld dazu verdammt, auf das Nötigste beschränkt zu werden. Diese Figuren sind für gewisse Schlüsselszenen zwar unumgänglich, bieten abseits davon aber keinerlei Mehrwert für die Geschichte und werden entsprechend behandelt. Ihre fehlende Tiefe ist also absolut verständlich.
Unterm Strich darf ich behaupten, dass „Just Mercy“ trotz allem von seiner Charaktervielfalt und deren clever durchdachter Ausarbeitung profitiert, sowie von den Darstellern, die diese Figuren leidenschaftlich sowie realitätsnah verkörpern. In seltenen Momenten dominiert nichtsdestoweniger der Versuch, das Publikum zu schockieren und auf die Tränendrüse zu drücken, was sich gerade in einer Szene zur Halbzeit stark negativ bemerkbar macht. Dies ist aber der einzige Moment, an welchem Cretton etwas Maßlos wird, der Rest des Films bleibt bodenständig und auf die eigentliche Geschichte fokussiert.
Unangenehm angenehm
„Just Mercy“ ist zäh und lang und geht ganz schön in die Tiefe, er stellt viele unangenehme Fragen und zeigt manchmal noch unangenehmere Antworten. Die Erinnerung an die Sklaverei ist allgegenwärtig, wird mal geschickt in die Szenerie eingebaut und manchmal wie mit dem Holzhammer präsentiert. Widerliche Tatsachen dominieren, während kleine Glücksmomente dafür sorgen, dass die Last der Geschichte den Zuschauer nicht erschlägt, trotzdem solltet ihr darauf gefasst sein, dass es nur äußerst wenige Einstellungen gibt, die den Klumpen im Magen oder auch den Kloß im Hals verschwinden lassen.
Der Wiederschauwert des Films ist vergleichsweise gering und ergibt sich in erster Linie für solche, die der Arbeit von Regisseur Destin Daniel Cretton und dem Schaffen der beteiligten Schauspieler besonders viel abgewinnen können. Wer bereits mit dem Fall des Johnny D. vertraut ist oder „Just Mercy“ schon einmal gesehen hat, verliert eine Menge von der Essenz, die den Reiz an dieser Produktion ausmacht. Wer das Genre des Drama jedoch mag und sich für die Geschichte der Equal Justice Initiative (Stevensons Hilfsorganisation) interessiert, dem kann dieser Film vorbehaltlos empfohlen werden.
Fazit
Egal ob Brie Larson, Michael B. Jordan oder Jamie Foxx: Alle Beteiligten in diesem Werk spielen auf hohem Niveau und mit sichtbarer Hingabe. Die Handlung ist schwer und tief, der Erzählstil entsprechend; doch beides fast durchweg hochwertig. Auch wenn „Just Mercy“ durchaus kleinere Fehler hat ist er doch für das, was er sein möchte, ein hervorragendes Werk. Wer mit dem Genre nichts anfangen kann, wird hier wohl nicht glücklich, alle anderen sollten einen Besuch im Kino durchaus in Erwägung ziehen.
Bewertung: 4/5****
Filmkritik von Heiner “Gumpi” Gumprecht, 20.02.2020