Am 27. Mai 2021 erscheint (soweit möglich) planmäßig Craig Gillespies „Cruella“ in den deutschen Kinos. Alternativ könnt ihr „Cruella“ ab dem 28. Mai könnt bei Disney+ streamen (VIP*). Hier ist unsere Kritik.
Inhalt von „Cruella“ Filmkritik – Das „101 Dalmatiner“-Prequel: Ungewöhnlich gewöhnlich
von Heiner Gumprecht |
Am 27. Mai 2021 erscheint (soweit möglich) planmäßig Craig Gillespies „Cruella“ in den deutschen Kinos. Alternativ könnt ihr „Cruella“ ab dem 28. Mai könnt bei Disney+ streamen (VIP*). Hier ist unsere Kritik.
Bild: Disneys “Cruella” (c) Disney
„Cruella“ ist die Live-Action-Vorgeschichte zu Disneys „101 Dalmatiner“. Das Werk wurde bereits im Vorfeld von renommierten Kritikern aus Übersee auf diversen Social-Media-Plattformen in höchste Höhen gelobt. Mutig, soll es sein, wunderbar untypisch für Disney, düster und voller guter Einfälle. Klingt wunderbar, dachten wir uns bei Kinofans, und haben mal selbst einen Blick riskiert, schließlich bekommt man Filme von diesem Kaliber nicht jeden Tag zu sehen.
Cruella: Zur Handlung
Der Film spielt in London der 1970er Jahre. Die junge Estella (Emma Stone) ist eine talentierte Designerin, die ihre Fähigkeiten jedoch in erster Linie dazu nutzt, kleinkriminelle Tätigkeiten mit ihren Gaunerkollegen und Freunden Horace (Paul Walter Hauser) und Jasper (Joel Fry) durchzuziehen. Insgeheim träumt sie aber davon, eines Tages in der Welt der Reichen und Mächtigen zu leben und allen zu beweisen, was wirklich in ihr steckt. Und genau diese Gelegenheit bekommt sie nach einer schicksalhaften Begegnung.
Denn eine erfolgreiche und weltberühmte Designerin, die lediglich als die Baroness (Emma Thompson) bekannt ist, wird auf Estella aufmerksam und macht sie kurzerhand zu ihrer Assistentin. Ein Traum scheint wahr zu werden, doch nur allzu schnell muss die junge Estella lernen, dass die Einflussreichen kein Problem damit haben, über Leichen zu gehen, und als der professionellen Designerin in spe klar wird, dass die Baroness nicht die besten Absichten hat, dreht sie den Spieß kurzerhand um und setzt sich als ihr alter Ego Cruella zur Wehr.
Bild: Disneys “Cruella” (c) Disney
Cruella: Eine Kritik
Bevor ihr aufgrund unserer Einleitung bereits die Tickets bestellt und voller Vorfreude eure Freunde zum Kinobesuch einladet, sollten wir vielleicht ein paar Dinge klären. Denn wirklich untypisch für Disney ist an „Cruella“ in Wirklichkeit nichts, ganz im Gegenteil. Und der Film ist auch nur bedingt die Vorgeschichte zu dem beliebten Zeichentrickfilm, schließlich gibt es zu viele Änderungen, nicht nur im Detail, sondern auch, was das große Ganze betrifft. Sagen wir eher, es ist das Prequel zu einer alternativen Version des Meisterwerks aus dem Jahr 1961.
Wenn angesehene Filmkritiker bei diesem Realfilm nun von einem fantastischen Film sprechen, dann will ich an dieser Stelle behaupten, dass sie ihr Urteilsvermögen wahrscheinlich von drei Dingen haben trüben lassen: Den fantastischen Kostümen, die über jede negative Kritik erhaben sind, dem perfekten Mix aus visueller Extravaganz und musikalischer Nostalgie, und den fantastischen Darbietungen von Emma Stone sowie von Emma Thompson.
Nimmt man diese Dinge jedoch weg bleibt leider nicht viel übrig, vor allen Dingen nichts, was ich zum Traumschloss in den Wolken erklären kann. Denn die eben genannten Faktoren sind absolute Stützpfeiler des Films, ohne die das Werk nicht nur zu taumeln beginnt, sondern zusammenbricht wie eine einsturzgefährdete Ruine im Sturm. Abseits von Fashion, Musik und leistungsstarken Schauspielern ist „Creulla“ in erster Linie eine Sache: okay. Es ist also eine Frage der eigenen Prioritäten und Erwartungen beim Kinobesuch.
Bild: Disneys “Cruella” (c) Disney
Cruella: Logik gibt es nur Dienstags
Der größte Kontrapunkt, der die Sichtung von „Cruella“ zu einem eher durchschnittlichen Erlebnis werden lässt, ist die Logik, auf die im Film fast durchgehend gepfiffen wird. Gillespies Werk geniert sich nicht, viele Dinge einfach unbeantwortet zu lassen. Außerdem wirkt die Produktion nicht selten, als wollte man in „Cruella“ einen ganz bestimmten Punkt erreichen, wusste aber nicht, wie sich das überzeugend umsetzen ließe, daher hat man es gar nicht erst ordentlich versucht und einfach die erstbeste Idee gewählt.
Das Ergebnis lässt sich bestenfalls als Flickwerk bezeichnen. Sowohl Estellas Verwandlung (und Rückverwandlung) in Cruella als auch all ihre visuell starken Angriffe auf die Baroness sind zwar nett anzusehen, entbehren aber trotz hoher Vorstellungskraft jeder Planmäßigkeit. Dies wird über die Zeit mit jeder Szene immer ein wenig schlimmer, bis im Finale schließlich gar nichts mehr Sinn ergibt. Hier müssen Zuschauer*innen mit den Augen eines Kindes sehen und mit dem dazu passenden Gehirn denken, um die gezeigten Ereignisse akzeptieren zu können.
Viele Fragen werden offen gelassen, viele lose Fäden baumeln auch nach dem Abspann noch unnütz in der Luft und nicht wenige Details im Film werden zum Ende hin einfach ignoriert und nie wieder angesprochen. Über all dies muss man hinwegsehen können, bevor sich „Cruella“ genießen lässt. Wem solche Sachen in einem Film egal sind, hat hier gut lachen, da ja alles andere wie bereits erwähnt durchaus stimmt.
Bild: Disneys “Cruella” (c) Disney
Cruella: Für Auge und Ohr
So schlimm das alles auch klingt, der Film hat trotz all seiner Schwächen durchaus Lob verdient. Dass zum Beispiel die Kostüme sehr gut sein würden, war ja im Grunde bereits im Vorfeld klar, schließlich ist „gut“ wohl das Mindeste was wir erwarten können, wenn eine Oscar-Gewinnerin für die Trachten der Figuren zuständig ist. Hier hat sich die gute Jenny Beavan noch einmal selbst übertroffen und den Look und das Gefühl des entsprechenden Jahrzehnts perfekt eingefangen.
Die Musik ist wiederum das Beste aus den 1970er Jahren, also perfekt für alle, die entweder aus dieser Zeit stammen und ein wenig in die angenehmen Gewässer der Nostalgie tauchen möchten, oder eben jene, die die optimale Musikuntermalung für den visuellen Part des Films suchen. Kostüme und Musik gehen in „Cruella“ nämlich Hand in Hand und passen so perfekt zusammen wie Eis und heiße Sommertage. Schade ist lediglich, dass der Film nur einen einzigen eigenen Song zu der Geschichte beiträgt und der Rest auch aus einem 70er-Radiosender stammen könnte.
Ach, ja. Und dann wäre da natürlich noch die Schauspielkunst der Hauptfiguren. Wohl gemerkt, der Hauptfiguren, denn die gezeigten Fähigkeiten der Nebencharaktere sind fast durchgehend auf Sparflamme unterwegs. Emma Stone und Emma Thompson sind jedoch so gut in dem was sie tun und gehen in ihren Rollen so auf, dass man fast meinen möchte, die Figuren von Cruella und der Baroness seien ihnen auf den Leib geschnitten worden. Schade, dass ihre Charaktere nicht besser ausgearbeitet wurden, aber beeindruckend sind ihre Leistungen nichtsdestoweniger.
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Fazit
„Cruella“ ist zu lang, schließlich zieht sich der Film an einigen Stellen wie Teer an einem heißen Sommertag. Doch gleichzeitig ist das Werk von Regisseur Craig Gillespie auch zu kurz, denn zu viele Ungereimtheiten werden offen und zu viele Logikfehler einfach stehen gelassen. Der Plot ist bestenfalls okay, das Finale unerklärlich und nicht selten wirken Szenen zu sehr auf Gedeih und Verderb konstruiert und nicht wie ein Teil, der untrennbar zur Geschichte gehört. Ich sage es nicht gerne, aber „Cruella“ ist in Sachen Plot stellenweise unterdurchschnittlich.
Zum Ausgleich bekommen Kinogänger oder Disney-Plus-Abonnenten jedoch sowohl visuell als auch akustisch einiges geboten und die Schauspielkunst der beiden Emmas kann nicht einmal mit der Eisenstange der negativen Kritik angegangen werden. Die Kostüme in dem Werk sind fantastisch, die Musikuntermalung passt, und es sind genügend Szenen vorhanden, die jeden Schreiberling zur Gossensprache greifen und diese als arschcool bezeichnet lassen. Kein per se guter Film, aber ein interessantes Erlebnis.
Bewertung: 3/5***
Bild: Disneys “Cruella” (c) Disney
Bild: Disneys “Cruella” (c) Disney
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