„Pinocchio“ Filmkritik: Noch eine Live-Action-Adaption von Disney

Disney hat schon vor langer Zeit herausgefunden, dass das Spiel mit der Nostalgie extrem profitabel sein kann. Ob wir also wollen oder nicht, der Konzern mit der Maus veröffentlicht aus diesem Grund eine Live-Action-Adaption ihrer klassischen Zeichentrickfilme nach der anderen und gibt sich dabei mal mehr, mal weniger Mühe. Bei „Pinocchio“, dessen Original vor über 80 Jahren in die Kinos kam, zeigt man jedoch wenig Selbstvertrauen, da das Werk, genau wie die Umsetzung von „Susi und Strolch“ in 2019, einen Kinostart direkt umgeht.

Inhalt von „Pinocchio“ Filmkritik: Noch eine Live-Action-Adaption von Disney

von Heiner Gumprecht | 08.09.2022

Disney hat schon vor langer Zeit herausgefunden, dass das Spiel mit der Nostalgie extrem profitabel sein kann. Ob wir also wollen oder nicht, der Konzern mit der Maus veröffentlicht aus diesem Grund eine Live-Action-Adaption ihrer klassischen Zeichentrickfilme nach der anderen und gibt sich dabei mal mehr, mal weniger Mühe. Bei „Pinocchio“, dessen Original vor über 80 Jahren in die Kinos kam, zeigt man jedoch wenig Selbstvertrauen, da das Werk, genau wie die Umsetzung von „Susi und Strolch“ in 2019, einen Kinostart direkt umgeht.

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Bild: „Pinocchio“ (2022). ©Disney Enterprises

Stattdessen erscheint der Film des überaus erfolgreichen Regisseurs Robert Zemeckis direkt auf dem hauseigenem VoD-Sender Disney+. Aber es kommt noch schlimmer, denn Kritiken zu dem Familienfilm dürfen erst veröffentlicht werden, wenn „Pinocchio“ bereits anläuft; ein Omen, das fast immer auf die Qualität schließen lässt. Und auch bei Zemeckis’ Vision der sprechenden Marionette Vorbote niedriger Standards ist. Zwar ist das Werk nicht grauenhaft, aber dafür ziemlich belanglos und es lässt sich nicht erkennen, was Disney mit damit eigentlich erreichen will.

Pinocchio: Eine Kritik

Während das für die Handlung Pate stehende Buch wenigstens noch versucht hat, eine pädagogische Funktion einzunehmen, lässt der neue „Pinocchio“ jegliche Spuren dieses erzieherischen Elements vermissen. Im gewissen Rahmen ist dies bei Disneys Version von 1940 auch passiert, doch lediglich auf solche Weise, dass das Werk für Kinder zugänglicher gemacht wurde. Was zwar nur bedingt geklappt hat, aber zumindest wurde die Kernaussage beibehalten und mit etwas Glück haben die Kleinen neben der Unterhaltung tatsächlich eine wichtige Lektion gelernt.

Davon ist nun nichts mehr übrig. Die Hauptfigur hat das Herz von Anfang an am rechten Fleck, wird jedoch durch Lügen und Gruppenzwang stets zu schlechten Taten verleitet. Wenn er überhaupt etwas lernen muss, dann also nur, dass Personen von vornherein in gut und schlecht unterteilt werden können. Auch wenn Carlo Collodi bei solch ordinären Einteilungen wohl im Grab rotiert. Jiminy wird dazu passend zu einer Art Berater gemacht, obwohl man ihn dennoch als Pinocchios Gewissen bezeichnet. Das dieser aber auch ohne sprechendes Insekt schon hat.

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Bild: „Pinocchio“ (2022). ©Disney Enterprises

Der etwas naive Protagonist kann zwar verführt werden, ist aber nie aus böser Absicht oder Faulheit auf dem falschen Pfad. Eigenes Wachstum und vor der eigenen Haustür kehren lernt er also nicht, weil er es schlichtweg nicht muss. Stattdessen erlebt er Abenteuer, die sich stark an den Film von 1940 orientieren, aber keinen tieferen Sinn mehr inne haben. Um diesen Umstand zu schönen beziehungsweise zu verstecken, setzt Disney auf allerlei oberflächliche Ablenkungen, die das nun etwas hohle Werk füllen sollen.

So gibt es nun neue Charaktere, die der Handlung keinen Mehrwert beisteuern können und lediglich für einzelne, losgelöste Aussagen eingeführt wurden. Daneben setzt der Konzern mit der Maus auf ordentlich Selbstbeweihräucherung, Easter Eggs und popkulturelle Anspielungen, die oftmals fehlplatziert sind. Über weite Strecken zeigt sich der neue „Pinocchio“ als Versuch, einer älteren Generation zu gefallen, ohne sie auch nur in einem kurzen Moment zu erzürnen. So hat das Werk keine Ecken, keine Kanten und leider auch keine Seele.

Und die jungen Zuschauer*innen werden einfach nur berieselt. Eine Handlung ist vorhanden, klar, zusammenhängend ist sie aber lediglich hier und dort, stattdessen ist es die meiste Zeit über eine Aneinanderreihung von bedeutungslosen Erlebnissen. Selbst Kleinkindergeschichten wie „Bobo Siebenschläfer“ oder „Meine Freundin Connie“ beweisen oft mehr Tiefe und Einfallsreichtum als Zemeckis’ neue Auftragsarbeit. Die ursprüngliche Pointe der Geschichte geht entsprechend sang- und klanglos unter.

Disney Pinocchio Realfilm 2022 Disney Plus Szene 001Bild: „Pinocchio“ (2022). ©Disney Enterprises

Pinocchio: Auch nicht wirklich hübsch

In Sachen Tricktechnik sieht es beinahe genauso düster aus. Auch hier ist es wahr, dass das Ergebnis nicht wirklich schlecht ist, zumindest nicht so, dass man sich darüber lange aufregen kann. Aber gut ist es auch nicht. Das CGI sieht die meiste Zeit über okay aus, manchmal aber weit unter Durchschnitt. Vor allem im Finale, wenn aus einem Wal, der einst ein Hai war, ein Seeungeheuer wird, und das geringe Budget sich überdeutlich bemerkbar macht. Für Disney, selbst für Filme, die nie fürs Kino vorgesehen waren, ist hier ein neuer Tiefpunkt erreicht worden.

Was besonders traurig ist, wenn man bedenkt, dass der 1940er „Pinocchio“ zwar ein recht langatmiger, für Kinder teilweise sogar verstörender Film war, aber zumindest technisch einwandfrei. Dank Walt Disneys hohen Ansprüchen findet man in dem klassischen Zeichentrickfilm selbst heute keine Fehler, egal wie genau man hinschaut. Das Live-Action-Remake strotzt hingegen so vor Pannen, sowohl im visuellen als auch im erzählerischen Bereich. Qualitative Ausbrüche nach oben sind selten, Abstürze nach unten jedoch nicht.

Selbst Superstar Tom Hanks, der den Spielzeugmacher Geppetto verkörpert, kann diesen Karren nicht mehr aus dem Dreck ziehen. Sein Schauspiel ist zwar okay, aber teilweise recht hölzern und lustlos. Vielleicht, weil der arme Mann beim Dreh im grünen Nichts stand und Selbstgespräche führen musste. Joseph Gordon-Levitt macht als Stimme von Jiminy hingegen durchweg einen sehr guten Job, auch wenn das kaum etwas zu bedeuten hat, da die Grille nicht das komplette Werk alleine stemmen kann.

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Fazit

Der neue „Pinocchio“ ist kein komplettes Desaster, aber ebenfalls weit von einem guten Film entfernt. Die Handlung hat keine Tiefe, keine Pointe und keinen pädagogischen Mehrwert, was das Werk mehr zum Zeitvertreib statt guter Unterhaltung macht. Das CGI ist durchgehend maximal okay, oft aber sogar unterdurchschnittlich. Und die neuen Figuren haben keinerlei Daseinsberechtigung und es lässt sich nur mutmaßen, was sich Disney bei ihrer Einführung gedacht hat. Nur für knallharte Disney-Fans zu empfehlen.

Bewertung: 2/5**
Disney Pinocchio Realfilm 2022 Disney Plus Poster
Bild: Filmposter zu „Pinocchio“ (2022). ©Disney Enterprises