In den letzten Jahren konnte Walt Disney recht eindrucksvoll beweisen, dass sich mehr Franchises als gedacht dafür eignen, als Realverfilmungen das Licht der Kinowelt neu zu erblicken. Ab dem 16. August 2018 ist es der liebenswerte Teddybär Winnie Pooh, aus der Feder des englischen Schriftstellers A. A. Milne, welcher dem geneigten Kinozuschauer zeigen möchte, dass es um die Geschichte geht und nicht um den Darstellungsstil.
Inhalt von “Christopher Robin” Filmkritik – Wie buchstabiert man ‘Liebe’ Pooh?
In den letzten Jahren konnte Walt Disney recht eindrucksvoll beweisen, dass sich mehr Franchises als gedacht dafür eignen, als Realverfilmungen das Licht der Kinowelt neu zu erblicken. Ab dem 16. August 2018 ist es der liebenswerte Teddybär Winnie Pooh, aus der Feder des englischen Schriftstellers A. A. Milne, welcher dem geneigten Kinozuschauer zeigen möchte, dass es um die Geschichte geht und nicht um den Darstellungsstil.
Zur Handlung
Wer nicht auf den Namen Peter Pan hört, muss eines Tages wohl oder übel erwachsen werden. Auch wenn uns Regisseur Steven Spielberg mit “Hook” möglicherweise auf eine andere Fährte locken wollte. Nichtsdestoweniger ist Christopher Robin, der Junge, welcher sprechende Waldbewohner und lebendige Kuscheltiere zu seinem Freundeskreis zählt, letztendlich ein Mann geworden.
Nun sind Winnie Pooh, Rabbit, Tigger und Co. nur noch verschwommene Erinnerungen an unbeschwerte Tage voll kindlicher Fantasie. Christopher selbst ist mittlerweile viel zu sehr mit seiner Arbeit beschäftigt und dem Wunsch, Ehefrau Emily (Hayley Atwell) und Töchterchen Madeline (Bronte Carmichael) ein gutes Leben bieten zu können. Diese Passion ist jedoch mit hohen Kosten verbunden, bekommt dessen Familie ihn schließlich kaum noch zu Gesicht.
Gleichsam ist Pooh alles andere als ein Fantasiefreund. Er ist ein richtiger Freund, so sehr sogar, dass er seit Jahren auf die Rückkehr von Robin gewartet hat. Doch als eines Tages all seine Kameraden aus dem Wald verschwanden, macht sich der tapfere kleine Bär auf die Suche nach der einzigen Person, die ihm jetzt noch helfen kann. Ganz zum Leidwesen des Betroffenen, denn genau an diesem Wochenende hängt dessen Karriere an einem seidenen Faden …
Schwaches Drehbuch < Großes Herz
In erster Linie sollte erwähnt werden, dass “Christopher Robin” nicht unbedingt über das beste Drehbuch verfügt. Zu behaupten, dass es regelrecht schlecht sei, überspannt den Bogen, doch es ist austauschbar, ohne originelle Ansätze oder einem erinnerungswürdigen Touch. Purer Durchschnitt, wie er in Kinder- und Jugendfilmen zum Alltag gehört. Alex Ross Perry und Allison Schroeder (“Girls Club 2”, “Hidden Figures”), welche sich für das Skript verantwortlich sehen, blieben stur auf altbekannten Pfaden.
Die Vermeidung von Risiken in diesem Bereich hat dem Werk offenkundig geschadet, “Christopher Robin” dazu verdammt, niemals mehr zu sein als lockere Abendunterhaltung, die sich eher für jüngere Kinogänger eignet. Doch im gleichen Atemzug wurde dadurch ein vernünftiges Fundament für die eigentliche Attraktion geschaffen: den Charakteren aus A. A. Milnes originalen Büchern. Dank der hauchdünnen Fassade einer begrenzenden Hauptgeschichte bekamen die Figuren den nötigen Platz, um sich zur Gänze präsentieren zu können und ihre Persönlichkeiten sowie Marotten wirkungsvoll zu entfalten.
Dies ist der wahre Kern von Marc Forsters (“Stay”, “Drachenläufer”, “Wenn Träume fliegen lernen”) filmischer Schöpfung. Die Chemie zwischen den einzelnen Figuren, jedoch vor allen Dingen die Treue zur Vorlage in Buchform. Winnie Puuh (im Original gesprochen von Jim Cummings) und die anderen befinden sich zwar in einer ungewohnten, bedrohlich wirkenden Umgebung, behalten dabei aber ihre Herzen am rechten Fleck. Zusammen mit der wunderbar verspielten Art, die “Christopher Robin” ausmacht, entsteht ein wahrlich herzlicher Familienfilm.
Dessen Verlauf vermag zwar vorhersehbar sein und viele Sprüche sowie Taten des weltbekannten Bärchens sind dem geneigten Fan des Franchises bereits wohlbekannnt und doch schafft es diese Disney-Produktion zu begeistern, einfach dadurch, dass unser Herz berührt wird. Um es auf solche Weise zu sehen, benötigt ihr halt nur eine gehörige Portion Empathie oder müsst abermals einer deutlich jüngeren Gruppe angehören.
Erwachsene kommen schwerlich drum herum, die grauen Zellen in die Pause zu schicken, sofern ein angenehmes Kinoerlebnis erzielt werden möchte. Wem dies gelingt, der wird mit einer schönen Reise belohnt, die ein Lächeln auf das Gesicht und vielleicht sogar die eine oder auch andere Träne in die Augen zaubern kann. Mit gleichsam 100 Minuten Spielzeit bleibt nicht genügend Raum, um die Handlung unnötig zu strecken, wodurch langatmige Pausen und Leerläufe ausbleiben.
Unter dem gleichen Schirm gelingt es den Machern von “Christopher Robin”, zwischen der Melancholie der ursprünglichen Werke und kindlichem Humor hin und her zu springen, ohne den eigenen Grundstil jemals zu unterwandern oder abzuwandeln. Stattdessen werden diese beiden Säulen des Films miteinander vermischt, Inhalte untereinander ausgetauscht sowie verbandelt. Der Erfolg dieser Vorgehensweise wird dabei lediglich durch das bereits erwähnte, schwächelnde Drehbuch abgeschwächt.
Andere Aspekte
Ich gebe es ja ungern zu, doch die frühen Bilder zu “Christopher Robin” haben mir nicht unbedingt zugesagt. Tatsächlich wirkten die die “realen” Versionen der Figuren aus A. A. Milnes Bücher etwas gruselig auf mich. Und so kann der erste Eindruck halt täuschen, denn im Film selbst funktionieren die animierten Kumpanen wunderbar. Die Animationen sind erstklassig, passen sich perfekt in die Welt ein und wirken bereits nach wenigen Minuten merkwürdig vertraut.
Gleiches gilt für die originalen Sprecher der Plüschtiere, die alle einen hervorragenden Job leisten. Bei Jim Cummings (“Ralph Reichts”, “Gnomeo und Julia”, “Der König der Löwen”), welcher Winnie Puhh seine Stimme leiht, ist dies natürlich wenig überraschend, spricht der US-amerikanische Synchronsprecher den süßen Teddy doch schon seit einigen Jahren. Doch auch seine Kollegen schaffen es, ihre Figuren mit der notwendigen Leidenschaft zu synchronisieren. Auch wenn einige von ihnen die Chance genutzt haben, ihren Schützlingen einen persönlichen, neuen Anstrich zu verpassen, bleiben sie dem Kern ihrer Persönlichkeit stets treu.
Ewan McGregor (“Fargo”, “Big Fish”, “Star Wars: Episode I – III”), welcher in die Rolle des erwachsen gewordenen Protagonisten schlüpft, spielt zwar mit ähnlicher, durchaus sichtbarer Begeisterung, kann aber leider nicht viel aus seiner recht zweidimensional gehaltenen Figur herausholen. Dadurch fällt es dem Darsteller durchgehend schwer, die Entwicklung von Christopher Robin überzeugend darzustellen, seine Einstellung zu der Situation wirkt entsprechend viel zu sprunghaft.
Über die restlichen, weitgehend als Nebenfiguren vor sich hin dümpelnden Akteure, muss abschließend nicht viel gesagt werden. Die meisten von ihnen erfüllen sowieso nur eine Alibifunktion, während solche, die etwas enger mit der zugrunde liegenden Handlung verwoben sind, nicht mehr zu tun haben, als eine einzelne Aufgabe zu übernehmen. Auf diese Funktion baut ihre gesamte Persönlichkeit auf, was abschließend nicht sonderlich eindrucksvoll erscheint.
Fazit
Ein wirklich liebenswerter, herzensguter Film, der solche, die nah am Wasser gebaut sind, ein paar Taschentücher kosten könnte. Ein schöner Streifen, aber leider auch ein ziemlich inhaltsschwacher, aufgebaut auf ein eher weniger als mehr durchschnittliches Drehbuch. Erzählerisch die vielleicht schwächste moderne Realverfilmung aus dem Hause Disney. Dafür angefüllt mit viel Liebe, Wärme und schönen Gedanken.
Bewertung: 3/5***
Filmkritik von Heiner “Gumpi” Gumprecht, 06.08.2018