Immer wenn es um Rache im Kino geht, muss irgendwie auf den Satz „Revenge is a dish best served cold“ verwiesen. Ob der Satz nun ein klingonisches Sprichwort ist, von Shakespeare, Bacon oder Pierre Choderlos de Laclos ist dabei letztlich unerheblich. Die Aussage bleibt die selbe: Damit Rache schmeckt, muss genug Zeit verstrichen sein.
Inhalt von Filmkritik zu Blue Ruin
Immer wenn es um Rache im Kino geht, muss irgendwie auf den Satz „Revenge is a dish best served cold“ verwiesen. Ob der Satz nun ein klingonisches Sprichwort ist, von Shakespeare, Bacon oder Pierre Choderlos de Laclos ist dabei letztlich unerheblich. Die Aussage bleibt die selbe: Damit Rache schmeckt, muss genug Zeit verstrichen sein.
„There will be a reckoning“
Doch Rache ist und kann noch viel mehr. Sie kann einem Menschen, der völlig am Boden liegt wieder einen Antrieb geben um aufzustehen und sich in Bewegung zu setzen. Völlig egal, wie die Konsequenzen für sein Leben und seine Gesundheit aussehen. Dies lässt sich nur allzu gut auf den Protagonisten von „Blue Ruin“ übertragen. Dwight (Macon Blair) scheint niemand zu sein, vor dem man sich fürchten muss oder mit dem man rechnen sollte. Sein verwachsener Bart, das übergroße Shirt und das ungepflegte Haar werden von dem resignierten Blick und von seiner sanften, zögerlichen Stimme unterstrichen und zeichnen einen Mann, der aufgegeben hat. Dennoch ist Dwight ein durchaus gefährlicher Mann. Er ist die unwahrscheinliche und chaotische Kraft, die „Blue Ruin“ antreibt. Nach einer zunächst irritierenden Eröffnungssequenz und der folgenden Initialzündung betritt Dwight das heruntergekommene Klo eines schummrigen Etablissements am Rande des Nichts, lauert geduldig wartend in der Dunkelheit, nur um plötzlich zuzuschlagen und die Szene mit unvermittelter und wilder Gewalt explodieren zu lassen. Hier wird mehr als nur deutlich gemacht: Dwight ist ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hat, der aber lange Zeit hatte über all das nachzudenken was er verloren hat, abzuwägen, bis nur noch eine Lösung schlüssig scheint: Abzurechnen. Aus dem Niemand Diwght wird schlagartig eine Gefahr. Allerdings sind diejenigen, an denen Dwight seine blutige Rache übt, erheblich besser im Training was das Thema „Abrechnung“ anbelangt.
Mehr als nur ein kaltes Gericht
„Blue Ruin“ als reinen Rache-Film zu bezeichnen, würde dem Streifen nicht gerecht werden. Viele, wenn nicht die meisten, Rache-Filme driften früher oder später ins beliebige ab und bestechen nur noch durch eine Anhäufung an Krassheiten. Enige Kritiker in den USA und UK haben „Blue Ruin“ deswegen mit den Arbeiten der Coen Brüder verglichen. Besondern „No Country for Old Men“ scheint sich hier anzubieten. Gewalt geschieht in beiden Filmen sehr hart und unvermittelt, viele Sequenzen in beiden Filme beschäftigen sich mit einem Leben auf der Flucht und mit den Momenten vor und nach der Bluttat, dem Ausspähen des Tatorts, den Problemen der Waffenbeschaffung und der Schwierigkeit einen Ort schnell wieder verlassen zu müssen. Auch wenn sich hier zwischen diesen beiden Filmen deutliche Schnittmengen abzeichnen, ähnelt „Blue Ruin“ doch in erster Linie nur sich selber und ist tatsächlich schwer bis unmöglich mit anderen Filmen zu vergleichen. Viel von dieser Einzigartigkeit liegt im Schauspiel von Macon Blair verankert. Blair verleiht Dwight einen unglücklichen, depressiven aber dennoch getriebenen Zug. Die besten Stellen um Dwights Rache sind die, die von einer hinterhältigen Komik getragen werden. Sie wirken nicht albern, sondern einfach ungeschickt, halten aber den Zuschauer dennoch in Atem, wirkt die gescheiterte Existenz Dwight doch zunächst mitleidserweckend und mehr und mehr verständlich. Bezeichnende Momente sind so die Suche nach einem Fluchtwagen, nur um festzustellen, dass er das einzige Gefährt selber so gut wie fahruntüchtig gemacht hat oder der amateurhafte Versuch eine Verletzung selber zu versorgen — ohne Ahnung von Medizin zu haben. Im Gegenmoment aber wird deutlich, dass Dwight ein verlorene Seele ist. In sein Gesicht haben sich Jahre der Trauer tief eingegraben und Blair schafft es seinem Antrieb den Anstrich eines verzweifelten und letzten Aufbäumen kurz vor dem sicheren Ende zu verleihen.
Ein Erzähler, mit dem man in Zukunft rechnen sollte
„Blue Ruin“ stammt komplett aus den Händen von Jeremy Saulnier. In Personalunion als Kameramann, Drehbuchautor und Regisseur. Jeremy Saulnier stand zuletzt für den Indiefilmer Matthew Porterfield für „I Used to Be Darker“ hinter der Kamera und dreht derzeit mit Patrick Steward „Green Room“. Mit „Blue Ruin“ liefert Saulnier genau das optisch bestechende Ergebnis ab, welches man von einem talentierten Kameramann erwartet. Dazu kommt, dass Saulnier weitaus mehr als nur ein gutes Auge hat. Er lässt sich und seinem Film genau die Zeit, die er eben braucht. Mit Ruhe und Selbstvertrauen erzählt er eine durchdachte Geschichte, die sich von einem etwas mysteriösem Start nach und nach zu einem schlüssigen Ende erstreckt. Saulnier verwandelt seine Heimat Virginia in eine Kulisse für eine weltliche und naheliegende Bedrohung und füllt die Münder seiner Schauspieler mit deutlichen Kampfansagen. Wer sich ein wenig mit TV Ereignisse des US-Pay-TV’s im letzten Jahr beschäftigt hat wird sich hin und wieder an Kevin Costerns „Hatfield & McCoys“ erinnert fühlen. Die Schärfe und Schmerzlichkeit von „Blue Ruin“, gepaart mit der fast meditativen Ruhe von Saulviers Erzählweise machen „Blue Ruin“ zu einem der besten Filme des Jahres. Selten war ein Rache-Thriller so elektrisierend, so geschmackvoll und so nachhallend wie „Blue Ruin“.
Fazit
„Blue Ruin“ ist ein absolut sehenswertes Juwel. Der Film zieht den Zuschauer mit, hat Atmosphäre, Tiefe und einen Hauptcharakter, der so verständlich und menschlich wirkt, wie jemand, den wir alltäglich verloren auf einer Parkbank sehen. Genau wie den Protagonisten nehmen wir alle solche Gescheiterten Personen höchstens am Rande wahr und akzeptieren ihre Existenz, fragen uns aber all zu selten, was hinter diesen eingefallenen Gesichtern schlummert. „Blue Ruin“ schafft es so einem Gesicht einen Antrieb zu verleihen. Genau wie „Dwight“ zu Beginn des Films eine Autobatterie hervorkramt um seiner bläulichen Schrottkarre neues Leben einzuhauchen.
Bewertung: Für Blue Ruin gibt es fünf von fünf möglichen Sternen. *****
Filmkritik von Julius, 04.12.2014
Kinostart & weitere Infos
Blue Ruin startet am 11.12.2014 in den deutschen Kinos. Weitere Informationen zum Film haben wir hier für euch.