Filmkritik: „The Change“ – Eine dringliche Warnung an das moderne Amerika

Unser Urteil: Warum das Drama mit Diane Lane und Kyle Chandler beunruhigend aktuell ist

The Change Filmszene (c) 2025 Lionsgate
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Das Drama „The Change“ (OT: Anniversary) startet am 6. November in den deutschen Kinos. Hier unsere Kritik zum Film mit Diane Lane und Kyle Chandler.

Vor ein paar Jahren gab es eine fünfteilige Miniserie von Russell T. Davies namens YEARS AND YEARS. Darin beschreibt er anhand einer Familie, wie sich England nach einer Finanzkrise und einem Krieg zum totalitären System wandelt. Den gleichen Ansatz verfolgt der Film THE CHANGE, der über einen Zeitraum von fünf Jahren erzählt ist, die gesellschaftlichen Veränderungen aber alle anhand einer Familie zeigt, die sich zu verschiedenen Anlässen trifft.

Die Handlung von „The Change“: Wenn eine Familie im Wandel zerbricht

Ellen und Paul feiern ihren 25. Hochzeitstag. Ihr Sohn Josh, ein erfolgloser Schriftsteller, bringt seine neue Freundin Elizabeth mit, die wie er Autorin ist. Aber sie hat ein Sachbuch geschrieben. Eines über die Gesellschaft und wie sie sich ändern muss. Ellen wird klar, dass sie Elizabeth kennt. Sie war einst eine Studentin von ihr, fiel aber durch radikale, antidemokratische Schriften auf. Ellen macht sich Sorgen um ihren Sohn, der schon längst kein Interesse mehr daran hat, seine Sci-Fi-Trilogie zu schreiben. Aber das ist nur der Anfang, denn THE CHANGE, so das Buch von Elizabeth, verändert alles. Es verkauft sich millionenfach und führt eine politische Bewegung an die Macht. Nach und nach verändert sich alles, und wer nicht für den Change ist, der ist gegen ihn …

The Change Filmszene (c) 2025 Lionsgate

„The Change“: Die beklemmende Relevanz einer politischen Dystopie

Im Jahr 1935 erschien Sinclair Lewis‘ Roman DAS IST BEI UNS NICHT MÖGLICH erstmals in den USA. Er erzählt von etwas, das nicht sein darf, das nicht sein kann, von den Weichen, die nötig sind, um den Faschismus auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sein hässliches Haupt erheben zu lassen. Der Roman hat in den letzten Jahren wieder an Aktualität gewonnen. Ein Film wie THE CHANGE wäre vor wenigen Jahren – ähnlich wie YEARS AND YEARS – eine Dystopie gewesen, die denkt, was sein kann, bei der man aber nicht unbedingt denkt: Ja, wenn es nur ein bisschen schlecht läuft, kommt es so. Es ist schlecht gelaufen, in den USA, und der Film kommt zu einer Zeit, in der die amerikanische Rechte einen „Krieg“ gegen die Linke heraufbeschwören will. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns – das sagte einst George W. Bush. Er wird in THE CHANGE zitiert, auf eine Weise, die ihm vermutlich nicht gefallen würde.

Man kann THE CHANGE auf zweierlei Weise lesen: Als eine Warnung davor, wie ein totalitäres System entsteht. Oder als eine Familiengeschichte. Im Grunde ist der Film beides, weil er den Mikrokosmos dieser Familie nutzt, um zu zeigen, welchen Einfluss die Veränderungen haben. Am meisten gilt das für Josh, von Dylan O’Brien kalt und provokativ gespielt. Wie kann ein Sohn wie er, der in einem liberalen Haushalt aufwuchs, nicht nur Teil einer faschistischen Bewegung, sondern auch noch ein hohes Tier dabei werden? Der Film hat keine einfachen Erklärungen parat. Vielleicht ist er ein Opportunist, jemand, der zu oft versagt hat und nach dem Erfolg giert, egal, wie und wo er herkommt. Oder er ist überzeugt. Aber es gibt den Moment, da scheint selbst seine „Schöpferin“, die Autorin, Front-Frau der Bewegung und seine Ehefrau Angst vor dem zu haben, was sie entfesselt hat. Aber es ist nur ein kurzer Moment.

Die emotionale Wucht von „The Change“: Schauspiel und Inszenierung

Die erste Sequenz mit der Feier zum Hochzeitstag ist noch verspielt. Auch musikalisch. Es wirkt alles wie eine Komödie. Aber zum Ende der Sequenz brodelt es schon, als Ellen klar wird, wen Josh in ihr Heim gebracht hat. Danach gibt es Zeitsprünge. Die Familie trifft sich zu Feierlichkeiten, aber die Musik ist längst nicht mehr jovial. Sie ist zurückhaltend, die Wucht der Bilder übernimmt, und hier, vor allem, das Schauspiel von Diane Lane und Kyle Chandler. Chandler ist der Vater, der lange verzweifelt versucht, die Fassade der Familieneinheit aufrechtzuerhalten. Aber dann gibt es die Szene, in der man merkt, dass er verstanden hat. Dass ihm bewusst geworden ist, dass er seinen Sohn verloren hat. Dass ihm ein Fremder gegenübersitzt, der ihn zu manipulieren versucht.

Der Film zeigt die Entfremdung, wenn ein politischer Riss durch eine Familie geht. Er zeigt aber auch die Ohnmacht, die Ellen und Paul empfinden. Weil sie sowohl im Kleinen, als auch im Großen nichts mehr ausrichten können. Sie gingen einmal zu oft schlafen, und wachten in einer Welt auf, die nicht mehr die ihre ist.

Man kann THE CHANGE als eine Warnung verstehen. Einerseits, genau zu beobachten und nicht den Moment zu verpassen, an dem man ein diktatorisches System noch verlassen und sein Heil im Exil suchen kann, aber auch, dass es nicht viel braucht, um das demokratische System zum Einsturz zu bringen. Nur eine kritische Masse an Unzufriedenen, die mit dem Althergebrachten aufräumen wollen, weil Rattenfänger ihnen eine Rückkehr zum großartigen Amerika versprechen.

Fazit: Eine unbequeme, aber essenzielle Geschichte
Natürlich ist THE CHANGE dahingehend überspitzt, dass der politisch-gesellschaftliche Umbruch extrem schnell geht. Aber es zeigt sich in der Realpolitik auch, dass eine solche Veränderung sehr schnell eine Eigendynamik entwickeln kann. Der Film erzählt nicht von Demokraten und Republikanern, wohl aber vom liberalen und illiberalen Amerika, von einer Zukunft, die deshalb umso gruseliger ist, weil man häufig den Eindruck gewinnen kann, dass sich viele Menschen ein solches Land wünschen, in dem von Freiheit gesprochen, aber Unterdrückung praktiziert wird. Es ist das Neusprech von George Orwells 1984, das hier mitschwingt. THE CHANGE ist eine dringliche Warnung zu immerwährender Aufmerksamkeit, weil Freiheit nicht geschenkt, sondern verdient, gewonnen und verteidigt werden muss. Am Ende muss man unwillkürlich an Erich Kästner denken, der einst sagte: „Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf.“
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